Cotton Candy – muss das sein?
Cotton Candy – im Land der Einhörner?
Gestern habe ich kurz gedacht, ich muss diese Erde jetzt verlassen. Jetzt sofort. Ich weiß ja schon lange, dass die Menschheit mit Pauken und Trompeten auf Ihren Abgrund zusteuert. Es ist ok, ich hab mich dran gewöhnt. Und trotzdem, in manchen Momenten bin ich völlig erschüttert, wie bescheuert diese höchst intelligenten Erdbewohner wirklich sind und mit was sie ihre Zeit verschwenden. Was geht auf unserem Planeten nur vor sich?
Ich stehe an der Supermarkt-Kasse und höre die Verkäuferin lauthals anpreisen, dass es etwas zu probieren gibt, auf das sie scheinbar sehr stolz ist: Es gibt den Geschmack Zuckerwatte und es gibt die Geschmacksrichtung Mango.
Ich denke mir, das sind bestimmt Gummibärchen oder andere Süßigkeiten und beachte das Ganze nicht weiter. Bis ich an der Kasse dran bin und auch ich eine Lobeshymne höre, auf dieses tolle neue Produkt. Und jetzt sehe ich es vor mir. Mir zieht es förmlich den Boden unter den Füßen weg. Es sind keine Gummibärchen. Es sind keine Bonbons, keine Kaugummis oder anderes süsses Zeugs. Es sind: Weintrauben. So richtige Weintrauben aus der Obstabteilung.+
Cotton Candy: Geschmack Zuckerwatte
Ich probiere – zuerst Geschmack Zuckerwatte – die Weintraube landet beinah im Gesicht der Verkäuferin, weil ich sie am liebsten direkt wieder ausgespuckt hätte. Also direkt: Ich hätte fast gekotzt. Sie schmeckt tatsächlich nach Zuckerwatte. Astrein. Geschmacksprobe zwei, die dunkle Traube, Geschmack Mango, auch gelungen.
Ich spüre eine Heulkrampfattacke aus meinem tiefsten Inneren hochkommen, mir dreht sich der Magen um, ich suche Halt und ich versuche meinen Erstimpuls zum Amoklauf zu unterdrücken. Hatte ich nicht irgendwo eine Gabel für mein Mittagessen dabei? Mit der könnte es gehen…
Ich lese schon die Schlagzeile: Candy Cotton Massaker in München – Mutter dreht an Supermarktkasse durch – Bayerischer Innenminister verbietet alle Weintraubensorten – Weintrauben Lobby ist erschüttert und drückt ihr Mitgefühl aus. Ich verlasse ohne ein Massaker anzurichten diesen Supermarkt. Geschafft, wieder mal geschafft, ohne Blutbad.
Wieder gefasst frage ich mich: wofür braucht die Welt Trauben, die nach Zuckerwatte schmecken? Der letzte Versuch, Kindern Obst unterzujubeln?
Meine Gedanken rasen, ich stelle erschrocken fest, dass alle Probierer in der Schlange vor mir gesagt haben, die hellen Trauben schmecken besser – Note: Zuckerwatte. Kalter Schauer läuft über meinem Rücken. Bin jetzt ich blöd oder die anderen? Traut sich keiner an der Kasse sagen: Geht’s noch? Hab ich was gesagt? Nein, auch nicht, ich war zu perplex. Hoffentlich gings den anderen auch so wie mir. Hoffentlich waren alle anderen einfach auch nur zu erschüttert um ihre wahren Gedanken zu äußern.
Ach, eine natürliche Kreuzung, dann ist ja gut!
Zurück im Büro gehe ich auf die Suche und frage Google was dahinter steckt. Das kann doch nicht natürlich sein, also abgesehen davon, dass es eh total bescheuert ist. Ich werde fündig: Es handelt sich um eine natürliche Kreuzung zweier Traubensorten. Eine tolle Idee für den nächsten Mädlsabend, Kinderträume werden wahr … ist das euer Ernst? Ich raufe mir die Haare. Wieder dieser Schauer über den Rücken…
Plötzlich wird alles klar – die Einhörner! Ja, die Einhörner. Endlich, weiß ich’s. Dass ich nicht gleich drauf gekommen bin. Ich hätte es gleich wissen müssen, meine Tochter hat’s mir doch letztens erst erklärt: Einhörner essen nur Zuckerwatte. Es geht gar nicht um uns Menschen, es ist der Versuch Einhörnern gesunde Ernährung beizubringen, indem ihnen Zuckerwatte-Trauben untergejubelt werden! Ja, mein Innerstes jubelt! Ja, das ist es, das ist der Sinn dahinter. Die Einhörner. Puuh… Erleichterung macht sich breit, die Einhörner sind gerettet. Ich weine vor Erleichterung.
In einem nächsten Artikel finde ich Infos über den erhöhten Pestizid-Gehalt in der Traubensorte Cotton Candy.
Scheiße, doch nicht. Die Einhörner sollen ausgerottet werden und wir werden als Testobjekt verwendet. Hm, schade. Aber gut, das kenn ich ja schon, damit kann ich umgehen. Die armen Einhörner.