Heute ist ein guter Tag zum Sterben.
Ja? Ist es das? Ein guter Tag zu sterben? Hast Du reinen Tisch gemacht? Und ist alles erledigt, was zu erledigen ist?
Wenn es heute und jetzt soweit ist abzutreten, bist du dann bereit?
Natürlich, klar, es ist ja jetzt nicht gleich zu erwarten, eine völlig fiktive Frage: Du ernährst Dich gut, hast schon lange aufgehört zu rauchen, bist auf dem besten Weg vegan zu werden, hast Dir ein E-Auto gekauft, für die Umwelt, hast den Burnout gerade noch abgewendet und eine mega Work-Life-Balance. Klar, alles ist gut und wird gut und immer besser. Du verdienst gutes Geld, kannst Dir leisten was Du Dir wünscht und bist ein eloquenter Typ. Man mag Dich. Ein Lebemensch. Du bist gegen Nazis. Alles auf Go. Und vielleicht ja sogar noch mehr. Vielleicht bist Du Multimillionär und Dir liegt die Welt zu Füßen.
Aber bist Du wirklich bereit? Probier es aus. Stell Dich heute Abend vor den Spiegel und sag es Dir: „Heute ist ein guter Tag zu sterben! Wenn ich morgen nicht mehr aufwache ist es einfach ok. Ich bereue nichts, ich habe alles getan und alles was jetzt noch kommt ist einfach nur noch on top. “
Ich meine das ernst, wir meinen das ernst. Probier es aus. Schau mal, was Dir als Erstes in den Sinn kommt.
Und? Was ist es? Gibt es einen gravierenden Wunsch Deinerselbst, den Du Dir bis heute nicht erfüllt hast? Ein klärendes Gespräch, das aussteht? Innere Konflikte, die es aufzulösen gilt? Die Kündigung aus Deinem Job, der Dir Deine Sicherheit bietet, der aber täglich viel zu viel Energie fordert und eigentlich doch nur nervt? Die längst überfällige Trennung aus einer toxischen Beziehung? Jemandem mal gehörig mal die Meinung geigen?
Und? Traust Du Dich, das anzugehen – auch wenn Du gerade völlig gesund bist, und es heute noch nicht nach Sterben aussieht?
Na, dann ist ja alles gut. Dann brauchst Du es ja morgen einfach nur zu machen. Und wir empfehlen Dir, tu es! Weil, vielleicht ist morgen Dein letzter Tag. Oder, zumindest der letzte, an dem Du Dir diesen innigsten Wunsch noch erfüllen kannst.
Und dann? Morgen, wieder ab vor den Spiegel: „Heute ist ein guter Tag zu…“ Und? Hast Du Dir schon diesen einen Wunsch erfüllt? Das Gespräch gesucht? Dich mit Deinen inneren Konflikten auseinander gesetzt? Oder kommt immer wieder das Gleiche hoch, was es noch zu erledigen gäbe? Das, was kein Problem zu tun ist. Dieses „Easy, muss man ja nur machen“-Ding – mal schaun, wie lange Du brauchst, bis Du diese eine vermeintliche Kleinigkeit wirklich durchziehst.
Ist es denn eigentlich wirklich so eine Kleinigkeit, die Dich nicht sterben lässt?
Was hängt alles dran? Wenn Du es machst, hast Du dann was zu verlieren? Hast Du Angst vor dem Urteil der anderen? Angst, Sicherheiten zu verlieren oder gar Dein Gesicht? Was wenn es gar nichts Kleines ist, was sich da zeigt, sondern etwas Großes? Etwas mit dem Du die Welt bereichern oder gar zum Besseren verändern könntest. Was wenn es wirklich Mut erfordert, es überhaupt auszusprechen? Was wenn es um Liebe geht? Um Deinen Bruder oder Deine Schwester, mit der Du seit Jahren nicht sprichst. Was wenn es um Deine Kinder geht oder die, die Du gerne gehabt hättest. Um eine Freundschaft, die Dir seit Jahren weh tut, weil Du sie verloren hast. Was wenn Du jemandem Unrecht getan hast und Du es Dir nie verzeihen könntest, wenn diese Jemand abtritt und Du das nicht ins Reine gebracht hast. Was, wenn es um etwas wirklich Gravierendes in Deinem Leben geht?
Tja, dann. Ist dann heute ein guter Tag zu sterben? Wohl eher nicht.
Aber, man kann es ja noch etwas verschieben. Wird schon schief gehen. Ein paar Jahre oder Jahrzehnte hast Du ja noch. Bestimmt.
Und was, wenn etwas passiert, was Du nicht auf dem Schirm hast? Womit Du nicht gerechnet hast? Ein Unfall, eine letale Diagnose, Krebs im Endstadium oder eine andere „Kleinigkeit“?
Na, wollen wir mal den Teufel nicht an die Wand malen. Und wirklich, es wird schon nicht so sein, dass morgen etwas derart Schlimmes passiert, dass Du gleich vor einer maximalen Realitätsattacke stehst, die alles verhindert, was Dir vor dem Spiegel in den Sinn gekommen ist.
Also, heute ist eben erstmal bestimmt kein guter Tag zu sterben. Es gibt etwas zu erledigen.
Eine Aufgabe die sich Dir zeigt. Oder viele Aufgaben. Wie lange wird es dauern, einen Moment herzustellen, der Dir den inneren Frieden gibt, vor dem Spiegel zu stehen und vollen Herzens hinaus zu rufen: JA, HEUTE IST EIN GUTER TAG ZUM STERBEN – ICH HABE ES GESCHAFFT, ICH BIN VOLLENDS MIT MIR IM REINEN.
Ob für mich heute ein guter Tag zu sterben ist? Nein, ganz bestimmt nicht, ich habe noch jede Menge Dinge zu erledigen. Aber, ich habe vor langer Zeit begonnen und mich auf den Weg der Wahrhaftigkeit gemacht.
Wenn ich auf diesem Weg ein Ziel habe: Eins nach dem anderen – und Priorität hat das was sich mir vor dem Spiegel Meinerselbst an jedem neuen Tag meines Lebens als Erstes zeigt. Und das absolut richtige ist es dann, wenn es Dir allen Mut abverlangt oder Du im Moment des Erkennens einen tiefen schmerzhaften Stich in Deinem Herzen spürst.
Und: auf eins kannst Du Dich verlassen, es wird immer das sein, was Dir an diesem Tag im Weg steht die Freiheit des Tages zu leben und zu spüren.
In diesem Sinne wünsche ich Dir den nötigen Mut und das maximale Maß an Selbstliebe, das Du aufbringen kannst.
Thomas